Hard-Enduro-WM: Eklat in Spanien

SidecarCross Rudersberg: Hermans gewinnt WM-Dreikampf

Von Axel Koenigsbeck
Taktisch klug zum Titel: Hermans/van den Bogaart (#3) im Duell mit Hodges/Henderson (#13), dahinter Weiss/Schneider (#91)

Taktisch klug zum Titel: Hermans/van den Bogaart (#3) im Duell mit Hodges/Henderson (#13), dahinter Weiss/Schneider (#91)

In einem dramatischen Finale errangen Koen Hermans/Ben van den Bogaart den WM-Titel. Benjamin Weiss/Patrick Schneider rückten im Endspurt auf den fünften Rang vor.

Das gab es seit einer halben Ewigkeit nicht: Nur sechs Punkte lagen die drei WM Spitzenreiter vor dem Finale auseinander: Kilian und Evan Prunier führten mit 314 Zählern, dicht gefolgt von Koen Hermans/Ben van den Bogaart (312) und Brett Wilkinson/Joe Millard (308). Glücklicherweise beeinflussten keine äußeren Faktoren die Titelentscheidung: Wetter- und Streckenbedingungen im schwäbischen Rudersberg waren an beiden Tagen optimal.

Angesichts der Ausgangslage wunderte es nicht, dass sich bereits zu den Qualifikationsläufen am Samstag zahlreiche Zuschauer auf der Strecke oberhalb des Wieslauftals einfanden. Und sie wurden mit spannenden Rennen belohnt. Den ersten Qualifikationslauf gewannen Dan Foden/Noah Weinmann souverän vor den Prunier-Brüdern. Die Franzosen mussten sich zunächst an Tim Prümmer/Jarno Steegmans vorbeikämpfen, um sich vier wichtige Zähler zu sichern. Wilkinson/Millard wurden Vierte. In der zweiten Quali-Gruppe dominierten Hermans/van den Bogaart vor Benny Weiss/Patrick Schneider und den startschnellen Briten Michael Hodges/Ryan Henderson.

Zu den Verlierern dieser Vorrunde gehörten in erster Linie die Leferink-Brüder: Beifahrer Sem zog sich eine Fußverletzung zu. Damit mussten die Niederländer auf die weitere Teilnahme und die Verteidigung ihres bis dato fünften WM-Ranges verzichten. Ihre punktgleichen Landsleute Justin Keuben/Dion Rietman hatten an dieser Endrunde verletzungsbedingt ohnehin nicht teilnehmen können. Positiv: Alle deutschen Teams qualifizierten sich auf Anhieb, da bei nur dreißig Teilnehmern ein Last-Chance-Rennen nicht notwendig war. Dies kam vor allem Patrick Hengster und seinem belgischen Ersatzbeifahrer Arne Vanhamel zugute, die mit defektem Hinterrad aufgeben mussten.

Die Ausgangslage nach der Quali-Runde: Prunier 318, Hermans 317 und Wilkinson 310 Punkte. Damit konnten die Engländer aus eigener Kraft nicht mehr Weltmeister werden, während Prunier und Hermans auf Sieg fahren mussten.

Doch beim ersten Start sah es zunächst für beide Kontrahenten nicht nach Laufsiegen aus. Vorne lagen ausgangs der ersten Runde mit Hodges, Foden und Stuart Brown/Scott Grahame drei englische Teams. Dahinter folgten Prümmer, Hermans, Weiss, die schweizerischen Youngster Remo und Luca Käser und erst dann die Pruniers. Doch es dauerte nicht lange, bis Foden in Führung ging und Hermans sowie Prunier sich nach vorne kämpften. Dann attackierten die Pruniers ihre direkten Gegner erfolgreich, stürzten aber wenig später und mussten sich mit dem vierten Platz begnügen. Hermans konnte in der Folge kurzzeitig die Führung übernehmen, doch Foden konterte schnell. Derweil waren Wilkinsons Titelchancen mit Rang elf nach einem Sturz in der Anfangsphase nahe null. Nach dem Zieleinlauf lautete die WM-Wertung: Hermans 342, Prunier 336, Wilkinson 320 Punkte.

Für die strahlenden Sieger folgte alsbald die kalte Dusche: Bei der Geräuschmessung fiel ihr Gespann mit gerade einmal 0,6 db(A) knapp durch, damit wurden sie um die üblichen fünf Plätze zurückgestuft und Hermans erbte den Sieg. Selbstredend gab es in der Folge einmal mehr Diskussionen zum Thema Phonmessung, aber – sinnvoll oder nicht – so sind die Regeln. Randaspekt: Hermans hatte durch den Jury-Entscheid nun einen Punkt mehr auf Prunier gutgemacht, was je nach Ausgang des zweiten Laufes titelentscheidend hätte werden können.

Wurde es aber nicht. Nach dem zweiten Start gingen Foden/Weinmann wieder in Führung, diesmal vor Prunier, Hodges, Hermans und Prümmer. Weiss lag nach der ersten Runde nur an sechzehnter Stelle. «Ich habe den Start verschlafeny», kommentierte der Vorarlberger selbstkritisch. Hermans zog bald an Hodges vorbei und fokussierte sich darauf, den dritten Platz zu halten – wohl wissend, dass der für den Titel reichen würde. Während die drei führenden Teams in respektablem Abstand gen Zielflagge fuhren, kämpften sich Wilkinson/Millard vom elften auf den vierten Rang vor. Hätte ja sein können, dass doch noch ein Wunder geschieht …

Ähnlich durchwachsen verlief das Finale für die zu Anfang der Saison als Mitfavoriten gehandelten Lielbardis-Twins. Beifahrer Bruno ließ sich verletzungsbedingt vom Weltmeister Nicolas Musset vertreten. Im ersten Lauf schlecht gestartet, kam Daniels Lielbardis mit seinem prominenten Partner nach schwachem Start nur auf den zwölften Rang. Besser lief es dann beim zweiten Einsatz: Rang sechs vor den nach vorne stürmenden Weiss/Schneider.

Von den Deutschen setzte sich einmal mehr Prümmer am besten in Szene. Im zweiten Lauf musste er allerdings zurückstecken, nachdem ein Kontrahent Jarno Steegmans im Eifer des Gefechts in den Rücken gefahren war. Dennoch konnte das deutsch-belgische Duo den avisierten zehnten Platz trotz der Verletzungspause von Steegmans im Frühsommer halten. Eine starke Leistung boten überdies Adrian Peter/Joel Hoffmann. Als Vierte ihrer Quali-Gruppe fuhren sie im ersten Lauf auf den neunten, im zweiten nach schwachem Start und Spritmangel kurz vor dem Ziel auf den dreizehnten Rang. Lohn der guten Leistung: WM-Rang 15 statt zuletzt 20.

Als drittes nominiertes Gespann für die am nächsten Wochenende in Heerde/NL stattfindende SXoN, sprich Team-WM, setzten sich auch Leon Hofmann und sein grippegeschwächter Beifahrer Julian Zimmermann gut in Szene. Ebenfalls kamen André Knübben/Florian Plettke, im zweiten Lauf als Achte (!) gestartet, beide Male zu Punkten. Hengster verpasste dieses Ziel im ersten Lauf wegen Problemen mit der Benzinzufuhr. Jan Hoormann/Andy Schlinnertz agierten im zweiten Lauf zu zaghaft. «Zu wenig Gas gegeben», konstatierte Hoormann. Für Pierre Seifert/Paul Kinder hingen die Punkte-Trauben ebenfalls zu hoch. Dagegen verzichteten Tobias Hertfelder/Justin Blume nach Problemen in der Quali-Runde auf einen Start.

An dieser Stelle sei, nachdem Celina Jahn wegen ihres Kreuzbandrisses passen musste, Viktorija Vareikaite als einzige Dame im Starterfeld erwähnt: Ihrem Fahrer Grégory Raymond verhalf die durchtrainierte Litauerin immerhin zu sieben WM-Punkten.

Überaus bedauerlich, dass sein Ende Mai verstorbener Mentor Bart Notten den Titel von Koen Hermans nicht mehr mitfeiern konnte. Der 28-jährige Hermans gehört seit 2017 zu den Top-5 der WM, wurde 2018 Vizeweltmeister sowie 2019 und 2023 WM-Dritter. Für Ben van den Bogaart ist dies bereits der fünfte Titel: 2013 und 2014 fuhr er mit Ben Adriaenssen, 2016 mit Jan Hendrickx und 2018 mit Marvin Vanluchene Gold ein. Damit zog er mit dem bisher alleinigen Beifahrer-Spitzenreiter Artis Rasmanis gleich: Der Lette errang jedoch alle fünf Titel mit nur einem Fahrer: Kristers Sergis.

Am Ende des Tages konnten die vermeintlichen Doppelsieger Dan Foden/Noah Weinmann trotz ihrer Strafversetzung als Gesamtdritte mit auf das Siegerpodest steigen. «Alles andere wäre den Zuschauern auch nicht vermittelbar gewesen», kommentierte ein prominenter Insider. Derweil überlegt man im Team bereits, die komplette DM 2026 zu bestreiten – trotz des erheblichen Aufwandes für Foden. Falls Tim Prümmer sich auch zu diesem Schritt entschließt, würde das nationale Championat deutlich an Attraktivität gewinnen – für die Zuschauer und damit auch für die Veranstalter. Und es könnte für weitere Spitzenteams wie Weiss/Schneider oder die aufstrebenden Käsers als Trainings-Plattform wieder interessant werden.

Doch zunächst stehen die Team-WM in Heerde (27./28.9) und das Finale zur aktuellen DM in Kleinhau (4./5.10.) im Fokus. Bei den Teams für das SXoN dürfte es aufgrund der Verletzungen einiger Akteure noch kurzfristige Änderungen geben. So entscheidet sich erst in den nächsten Tagen, ob Scott Grahame als Beifahrer von Stuart Brown tatsächlich einsatzbereit ist. Als Ersatz böten sich Foden/Weinmann an. Womit die Niederländer keineswegs mehr Hauptfavoriten wären.

Resultate Motocross-Gespann-WM Rudersberg/D:

1. Lauf: 1. Hermans/van den Bogaart (NL), WSP-Mega. 2. Weiss/Schneider (A), VMC-Zabel. 3. Prümmer/J.Steegmans (D/B), VMC-AMS. 4. K.Prunier/E.Prunier (F), WSP-Zabel. 5. Hodges/Henderson (GB), WSP-Husqvarna. 6. Foden/N.Weinmann (GB/D), WSP-AMS. 7. Sanders/Vincent (B/NL), WSP-Mega. 8. Gordejev/Lebreton (EST/F), WSP-Husqvarna. 9. Peter/Hoffmann (D), VMC-Husqvarna. 10. Wijers/van Hal (NL), VMC-Zabel. 11. Wilkinson/J.Millard, (GB), WSP-Husqvarna. 12. D.Lielbardis/Musset (LV/F), WSP-Mega. 13. R.Chanteloup/J.Chanteloup (F), WSP-KTM. 14. T.van der Lagemaat/de Veene (NL), VMC-Zabel. 15. Hofmann/Zimmermann (D), VMC-Mega. 16. A.Knübben/Plettke (D), WSP-KTM. 17. Raymond/Vareikaite (F/LT), VMC-Husqvarna. 18. J.Hoormann/Schlinnertz (D), VMC-Zabel. 19. S.Gouin/K.Gouin (F), VMC-AMS. 20. Delmotte/Valcke (B), VMC-AMS. 23. Seifert/Kinder (D), WSP-KTM. 26. R.Käser/L.Käser (CH), VMC-KTM. 28. Hengster/Vanhamel (D/B), VMC-KTM.

2. Lauf: 1. Foden. 2. Prunier. 3. Hermans. 4. Wilkinson. 5. Hodges. 6. Lielbardis. 7. Weiss. 8. Prümmer. 9. Sanders. 10. Gordejev. 11. Van de Lagemaat. 12. Chanteloup. 13. Peter. 14. Wijers. 15. J.Brown/Booth (GB), VMC-Zabel. 16. Knübben. 17. Hofmann. 18.Raymond. 19. Hengster. 20. B.Verhees/P.Verhees (NL), VMC-AMS. 21. Hoormann. 24. Seifert.

WM-Endstand nach 18 Läufen: 1. Hermans 362 Punkte. 2. Prunier 358. 3. Wilkinson 338. 4. Lielbardis 285. 5. Weiss 242. 6. Keuben 240. 7. Leferink 240. 8. Sanders 224. 9. Wijers 210. 10. Prümmer 195. 15. Peter 109. 16. Foden 94. 18. Weinmann 81. 27. Hofmann 19. 29. Hengster 17. 31. Käser u. Knübben je 15. 35. Hertfelder 14. 37. Erlecke 13. 38. Bolliger. 11. 44. Hoormann 6.

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