George Russell in Singapur platt: «Tempo rätselhaft»

George Russell nach seinem fünften GP-Sieg
Fünfter Formel-1-Sieg für George Russell beim unterhaltsamen Nacht-GP von Singapur, der Brite zeigt eine makellose Leistung und gewinnt an der Marina Bay zum ersten Mal. Dies ist der 23. Podestplatz von Russell in der Königsklasse (gleich viele wie Jacques Villeneuve, Michele Alboreto und James Hunt). Russell hat nun gleich viele Siege wie Farina, Regazzoni, Watson, Alboreto und Keke Rosberg.
Für seinen Rennstall Mercedes bedeutet Singapur 2025 den 131. Sieg in der Formel 1 und den fünften auf dem schwierigen Marina Bay Street Circuit, nach 2014, 2016, 2017 und 2018.
Russell nach seiner Siegesfahrt: «Das tut gut, nachdem mir hier vor ein paar Jahren der Sieg entgangen ist. In Kurve 10 habe ich also ein wenig mehr aufgepasst.»
«Ich bin hin und weg und sehr happy, nachdem mir hier der Sieg früher durch die Lappen ging. Ich habe keine Ahnung, wo unser Tempo herkam an diesem Wochenende, aber ich nehme es gerne an.»
«Am ersten Trainingstag hier war es nicht gut gelaufen, in der Quali ging alles prima und heute auch. Ich bin ein anderer Fahrer als noch vor drei Jahren, also blieb ich gelassen.»
«Zunächst war ich ein wenig nervös, als ich Max auf den roten Reifen sah, aber er konnte das Plus an Haftung nicht ideal nutzen, denn mein start war prima. Ich bin sehr glücklich, wie alle verlaufen ist.»
Russell war sichtlich platt und musste sich während der ersten Interview sogar kurz zu Boden setzen.
Russell: «Ich hätte nie geglaubt, dass wir hier in Singapur so konkurrenzfähig sein würden. Ich nehme das gerne an. Aber ich schätze, bei den kommenden Rennen werde ich ein wenig mehr Gegenwind erhalten.»
So lief der Singapur-GP
Bei 29 Grad (Rennstrecke 34 Grad) und 72 Prozent Luftfeuchtigkeit ging es ins Rennen, während der Fahrerparade hatte es nochmals geschüttet, aber zum Rennen hin verzogen sich die Regenzellen. Regenwahrscheinlichkeit für den Grand Prix gemäss FIA bei 30 Prozent.
Das Knifflige, als die Piloten für Erkundungsrunden aus der Boxengasse rollten: Die Bahn an vielen Stellen grenzwertig nass/feucht für Slicks. Und – kein Fahrer konnte genau wie viel Haftung die Strecke bietet, wenn er mit vollem Tank auf die erste Kurve zugeschossen kommt. Und an verschiedenen Stellen lauerten feuchte Flecken.
Aus der Boxengasse ins Rennen gingen Pierre Gasly (neuer Unterboden) und Alex Albon (Aufhängung umgebaut).
Reifenwahl der Piloten zum Singapur-GP: Max Verstappen auf weichen Walzen für mehr Grip beim Start, seine direkten Gegner aus den ersten drei Startreihen, samt Pole-Mann Russell, alle auf mittelhart. Ebenfalls auf weich – Hadjar, Alonso, Tsunoda, Stroll und Colapinto.
Beim Start zu 62 Rennrunden kam Russell gut weg, Max auf Platz 2, dahinter Berührung von zuerst Norris gegen Verstappen, dann zwischen den beiden McLaren, Norris presste sich auf P3, Piastri verlor Schwung und musste sich gegen Leclerc wehren, dann Antonelli und Hamilton. Norris mit schräg geschlagener Frontflügel-Endplatte links vorne.
Düstere Mienen bei McLaren: Norris mit beschädigtem Frontflügel. Piastri knurrte am Funk: «Besonders mannschaftsdienlich war das nicht.»
Dann Oscar: «Findet ihr das alles okay, dass mich Norris da aus dem Weg schubst, oder wie seht ihr das?» – Antwort vom McLaren-Kommandostand: «Wir gucken uns das an und kommen auf dich zurück.»
Auch die FIA guckte sich das näher an, fand dann aber: kein Eingreifen notwendig.
Reihe in Runde 4: Russell schon zwei Sekunden vor Verstappen, dann Norris, Piastri, Leclerc, Antonelli, Hamilton, Hadjar, Alonso und Bearman, Hülkenberg auf P11.
McLaren meldete sich bei Piastri: «Die FIA findet, sie werde hier nichts unternehmen, wir werden auch nichts unternehmen, denn Lando musste Verstappen auweichen.»
Oscar, hörbar irritiert: «Das ist nicht fair. Wenn er einem anderen Fahrer ausweicht und stattdessen in den Teamkollegen kracht, dann hat er beim Ausweichen einen miesen Job gemacht.»
Runde 10: Russell locker vorne, 4,5 Sekunden vor Verstappen, Norris knapp 2 sec hinter dem Niederländer, Piastri 3 sec hinter Norris.
Vorteil für Russell in dieser Phase: Der folgende Verstappen (der sich über Schaltprobleme beklagte) musste seinen weichen Pirelli Sorge tragen.
Mercedes-Fahrer Kimi Antonelli kämpfte mit einer Lenkung, bei welcher das Lenkrad auf der Geraden nach rechts schräg steht.
Runde 14: neuer Frontflügel für Bortoleto (Scharmützel nach dem Start), auch Boxenstopp für Tsunoda.
Norris meldete sich zum gleichen Zeitpunkt, er habe am Ausgang der zweitletzten Kurve die Mauer berührt. Aber sein McLaren hielt das aus.
Die Papaya-Strategen begannen sich zu überlegen, den zweitplatzierten Verstappen zu unterschneiden (will heissen: früher reinkommen als der Gegner, dann schneller fahren, in der Hoffnung, nach dem Reifenwechsel des Rivalen die Nase vorn zu haben).
Aber die meisten Fahrer lauerten auf eine Safety Car-Phase (wenn ein Stopp nicht 26 Sekunden Zeitverlust bedeutet, wie im normalen Rennbetrieb, sondern nur 12 Sekunden, weil das Feld in langsamer Fahrt unterwegs ist).
Runde 18: Funkspruch an Norris («Box um Verstappen zu überholen»), aber dann ein weitere («draussen bleiben!»). Der Bluff funktionierte nicht, denn bei Red Bull Racing blieben alle ruhig.
Runde 20: Verstappen kam für harte Reifen herein (eine Lücke zwischen Hamilton auf P7 und Alonso auf P8 nutzend), Norris blieb draussen, ein mittelmässiger Stopp bei RBR.
Runde 22: Leclerc ebenfalls für harte Reifen an der Box, der Monegasse kam hinter Nico Hülkenberg zurück auf die Bahn, ging aber auf der ersten langen Geraden am Sauber-Fahrer vorbei.
Verstappen schimpfte am Funk: «Alles läuft in diesem Rennen gegen mich.» Da war irgendetwas mit dem Wagen, abgesehen von den Schaltproblemen, von welchem wir am Funk gehört hatten.
Leader Russell wurde angewiesen, gegen die Verfolger von McLaren Tempo aufzunehmen, aber George funkte: «Meine Reifen bauen ab, das ich alles, was ich bieten kann.»
In Runde 25 auch Hamilton an der Box für harten Gummi, der Stopp rechts vorne ein wenig verzögert.
Dann, eine Runde später, auch Leader Russell an der Box: guter Stopp, aber die beiden McLaren nun vorne, unmittelbar danach auch Stopp von Kimi Antonelli.
McLaren fragte Norris am Funk, ob Piastri früher stoppen könne, um sich gegen Leclerc abzusichern, aber Lando fand: «Nein.» Der Engländer stürmte an die Box, Piastri damit in Führung.
Norris nach dem Stopp weiter hinten Verstappen als vor den Reifenwechseln, aber Lando nun mit Walzen, die sieben Runden frischer waren.
Runde 28: Nun auch Piastri an der Box, Russell damit wieder vorne, der Australier, aber schlechter Stopp, das linke Hinterrad kam unwillig von der Nabe, 5,7 Sekunden Standzeit. Oscar verlor keinen Platz, aber viel Zeit.
Probleme auch beim Aston Martin von Fernando Alonso – der Schlagschrauber liess sich rechts vorne nicht ansetzen. Alonso danach mit pampiger Wortmeldung: «Wenn ihr euch jede Runde bei mir meldet, stelle ich den Funk ab.» Alonso war auf P15 abgesackt.
Runde 29: Russell 3,7 sec vor Verstappen, der 4,7 sec vor Norris, der 9,8 sec vor Piastri, dann Leclerc, Antonelli, Hamilton, Lawson, Sstroll und Ocon in den Top-Ten.
Verstappen rückte Leader Russell näher, aber der fuhr im Reifenschon-Modus.
Runde 35: Verstappen mit einer sehr weiten Linie, fast hätte er in den Notausgang ausweichen müssen von Kurve 16. Verstappen: «Aaaah, das Auto ist so schwierig zu fahren.» Max davor schon in Kurve 2 neben der Bahn.
Max weiter Zweiter hinter Russell, aber nur noch 1,8 Sekunden vor Norris.
Dann Verstappen wieder neben der Fahrbahn in Kurve 2, Norris näher und näher.
Max: «Die Hinterachse fühlt sich an wie eine Handbremse, ich wäre dankbar für Hilfe.»
Verstappen erhielt Anweisungen in Sachen Motorbremse und Bremskraftverteilung.
Norris jammerte am Funk über Luftwirbel des vor ihm fahrenden Verstappen, Lando machte in Kurve 16 einen Fehler und verlor fast eine Sekunde.
Max spendiert gerne «dirty air», er fühlte sich in der Quali von Norris aufgehalten und hatte gesagt: «Daran werde ich mich erinnern.»
Runde 45: Dreher von Sauber-Fahrer Hülkenberg, Nico konnte zum Glück den Mauern entgehen.
Leader Russell ärgerte sich über Nachzügler, der Vorsprung auf Verstappen fiel unter vier Sekunden, aber der hatte andere Probleme: Norris nur noch 1,2 sec hinter Max.
Max am Funk: «Ich habe jetzt grosse Mühe, das Tempo zu halten.»
15 Runden vor Schluss begannen die Reifen abzubauen (der linke Vorderreifen sah übel aus), und er hatte Norris im Nacken, weniger als eine Sekunde hinten, also mit einem McLaren, an dem er den Heckflügel flachstellen durfte.
Norris in Runde 50 ganz nahe an Verstappen, aber Lando wusste genau – er kann im Zweikampf nicht alles riskieren, Max würde brutal dagegenhalten. Verstappen hatte mit sieben Runden älteren Reifen alle Hände voll zu tun.
Während des Verstappen/Norris-Kampfs rückte der viertplatzierte Piastri näher.
Während weiter hinten Antonelli an Leclerc vorbeiging (um P5), erhielt Stroll die aufmunternde Info, die Reifen von Bortoleto seien schon 40 Runden alt. Lance hatte die Lacher auf seiner Seite: «Ja, und meine Reifen fühlen sich an, als wären sie 100 Runden alt.»
Weiter hinten liess Leclerc Hamilton vorbei, um Lewis die Chance zu geben, Antonelli P5 abzuknöpfen.
Der Sturmlauf von Hamilton auf Antonelli verpuffte: «Meine Bremsen sind alle.» Leclerc rückte wieder vor.
George Russell machte alles richtig und gewann seinen fünften Grand Prix. Dahinter behielt Verstappen die Nerven – Platz 2 vor den beiden McLaren von Norris und Piastri.
Singapur-GP, Marina Bay Street Circuit
01. George Russell (GB), Mercedes, 1:40:22,367 h
02. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing, +5,430 sec
03. Lando Norris (GB), McLaren +6,066
04. Oscar Piastri (AUS), McLaren, +8,146
05. Kimi Antonelli (I), Mercedes, +33,681
06. Charles Leclerc (MC), Ferrari, +45,996
07. Lewis Hamilton (GB), Ferrari, +1:20,251 min
08. Fernando Alonso (E), Aston Martin, +1:20,667
09. Oliver Bearman (GB), Haas, +1:33,527
10. Carlos Sainz (E), Williams, +1 Runde
11. Isack Hadjar (F), Racing Bulls, +1
12. Yuki Tsunoda (J), Red Bull Racing, +1
13. Lance Stroll (CDN), Aston Martin, +1
14. Alex Albon (T), Williams, +1
15. Liam Lawson (NZ), Racing Bulls, +1
16. Franco Colapinto (RA), Alpine, +1
17. Gabriel Bortoleto (BR), Sauber, +1
18. Esteban Ocon (F), Haas, +1
19. Pierre Gasly (F), Alpine, +1
20. Nico Hülkenberg (D), Sauber, +1
WM-Stand (nach 18 von 24 Grands Prix und 3 von 6 Sprints)
Fahrer
01. Piastri 336 Punkte
02. Norris 314
03. Verstappen 273
04. Russell 237
05. Leclerc 173
06. Hamilton 127
07. Antonelli 88
08. Albon 70
09. Hadjar 39
10. Hülkenberg 37
11. Alonso 34
12. Sainz 32
13. Stroll 32
14. Lawson 30
15. Ocon 28
16. Tsunoda 20
17. Gasly 20
18. Bearman 18
19. Bortoleto 18
20. Colapinto 0
21. Doohan 0
Konstrukteurspokal
01. McLaren 650 Punkte (Weltmeister)
02. Mercedes 325
03. Ferrari 300
04. Red Bull Racing 290
05. Williams 102
06. Racing Bulls 72
07. Aston Martin 66
08. Sauber 55
09. Haas 46
10. Alpine 20